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AutorenbildGabi Quiatek

ZUM DINNER IN DIE NORMANDIE

Jetzt übertreibt sie es aber wirklich, mag so mancher nun denken. Zum Abendessen mal eben in die Normandie jetten? Ist der Reichtum ausgebrochen? Hebt sie jetzt ab - womöglich noch mit dem eigenen Heli?


Nein, da muß ich Entwarnung geben, obwohl ich tatsächlich am Freitag Abend bei einem Dinner im normannischen Cérisy-la-Foret dabei war.

Aber wie ist das möglich?

 

Mein Herzallerliebster ist gerade auf einer Reise in die Normandie. Austauschgruppe der Städtepartnerschaft zwischen Scharmede und Cérisy-la-Foret.

Er ist genau wie alle in der Gruppe bei Gast-Eltern untergebracht. Monsieur, 85 Jahre alt, und Madame, keine Ahnung wie alt, sprechen (natürlich) kein Wort Deutsch (müssen sie ja auch nicht) und kein einziges Wort Englisch (na ja, das ist wohl dem Jahrgang geschuldet).

Mein Mann spricht Englisch aber außer MERCI und AU REVOIR kein Wort Französisch (muß er ja auch nicht).


Das verspricht sehr lustig zu werden, oder unter Umständen einfach nur anstrengend, denn man kann sich so untereinander einfach überhaupt nicht verständigen. Was fragt mich der Gast-Vater denn? Will er von mir wissen, was ich zum Frühstück möchte oder will er mir einfach nur zeigen, wo das Klo ist?

Klingt drollig, aber so kompliziert kann es halt sein.

 

Da bekomme ich am Freitag Abend einen Anruf, ich solle mein Handy auf Lautsprecher stellen, er säße dort und möchte gern Konversation betreiben, es klappt aber nicht.

Ich sage per Telefon höflich BONSOIR Monsieur, BONSOIR Madame und noch einige Begrüßungs- und Small-Talk-Floskeln und schaffe damit sofort eine angenehme Atmosphäre.

Monsieur, der keinen Computer hat und kein Handy, ist schwer begeistert, wie auf einmal eine französisch sprechende Stimme durch diesen Höllenapparat in seinem Wohnzimmer erschallt.

Ich stelle zu meinem Leidwesen allerdings sehr schnell fest, daß mein Französisch ziemlich eingerostet ist, während mein Mann seinem Gast-Vater stolz  irgendwas von "Madame - Francais - Université" vorschwärmt.

Du meine Güte...  NICHT!!!! Das könnte blamabel werden. Aber ich groove mich so langsam ein.

 

Monsieur fragt, was mein chérie essen möchte. Es soll etwas Vegetarisches sein. Vegetarisch - fast überall in der Welt auch mit dem deutschen Begriff zu verstehen.

Ich übersetze, daß eine Suppe und Fisch ganz schön wären. Monsieur merkt natürlich, daß ich erstmal wieder ins Schema kommen muß und macht es mir leicht, indem er immer wieder ein "AAAH, BON" äußert und ein "PARFAIT". Knappe, kurze Wörter, bei denen ich mir allerdings so vorkomme, als hätte ich Louis de Funès vor mir. 

So kann es also auch funktionieren.


Das Abendessen ist fertig. Es gibt eine Gemüsesuppe, als Hauptspeise Lachs und als Dessert eine Rhabarbertorte. Alles aus dem eigenen Garten - mit Ausnahme des Fisches, möchte ich mal vermuten.

Da haben wir doch ein Thema. Garten und ökologische Produkte. Monsieur baut so ziemlich alles selbst an was er für seine Selbstversorgung braucht. Ich bewundere ihn dafür mit mehreren "FANTASTIQUEs" und "FORMIDABLEs". Läuft!

Um die Konversation während des Essens nicht abbrechen zu lassen (nichts ist Schlimmer als schweigend eine Stunde am Tisch zu sitzen), erzähle ich über Gott und die Welt alles was mein Vokabular so hergibt.

Es ist allerdings äußerst anstrengend, zum einen sowieso in einer Fremdsprache zu telefonieren, zum anderen, weil die Verbindung nicht ganz so gut ist wenn beide den Lautsprecher angeschaltet haben. Es hallt ziemlich, und ich muß mehrfach nachfragen.

Der Lachs schmeckt super, die Rhabarbertorte sowieso - sagt mein Mann, während ich hier mit einer Paprikaschote auf der Terrasse sitze.


Apropos Terrasse! Da könnte ich doch mal ein Foto machen und sagen, daß wir auch einen kleinen Garten haben, 10x10 m und ohne Gemüse. Monsieur hat 500x500 m - mit allem.

Egal, er muß das Foto bestaunen und tut das auch. "BELLES FLEURES" - schöne Blumen. Und ich kontere "C´EST BON" und meine damit sein Essen.

 

Am nächsten Abend dasselbe Spiel. 

RRRRIIINNNNGGGG! Telefon aus Frankreich - ich bin dabei.

Heute holt Monsieur zum Essen doch tatsächlich einen Rotwein aus dem Keller, der so alt ist wie mein Mann. Ja, das möchte man nun wissen, aber ich verrate lediglich, wie alt der Wein ist. Jahrgang 1965! Ein Château-Neuf-du-Pape, falls euch das was sagt! Monsieur  erzählt, die Flasche hätte 40 Euro gekostet. Wenn das mal nicht untertrieben ist!?

Zum krönenden Abschluß bekommen wir noch einen Calvados serviert. So gehört sich das in der Normandie. Selbst gebrannt natürlich - oder sollte ich das hier lieber nicht sagen? Doch, ich denke, die Franzosen dürfen das für den Eigenbedarf.

Der Calvados gibt mir nach dem Rotwein den Rest. Ach herrjeh! Ich bin ja schon voll dabei, mittendrin, obwohl ich doch wieder nur auf meiner Terrasse sitze - dieses Mal mit einem Käsebrot.

 

Das Erlebnis, für zwei Abende in der Normandie zum Essen eingeladen zu sein, war anstrengend, aber einfach wunderbar. Mein Französisch ist wieder besser, wir haben schon eine Menge Infos ausgetauscht, und plötzlich waren viele Vokabeln wieder da.


Und das Fazit der Geschichte ist: Ich muß unbedingt  wieder mal in die Normandie.


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