Oder: AGB, Daten- und Verbraucherschutz einfach geschnattert
Ich weiß nicht, warum gerade jetzt bei mir das Fass kurz vorm Überlaufen ist. Vielleicht liegt es am Alter und an der Tatsache, dass das Jahr fast vorbei ist und ich noch hektisch Dinge zu Ende bringen möchte, um dann in Ruhe ein paar freie Tage genießen zu können.
In diesem Blogpost geht es um all die rechtlichen Hürden, die einem die Arbeit erschweren und vor allem in die Länge ziehen, so dass am Ende der Bürokratiehengst da steht und mir ins Ohr wiehert: „Du und Urlaub machen? Haste dich geschnitten. Kannste vergessen! Du musst schön weiter arbeiten, denn ich habe da gerade noch einen neuen Paragraphen ausgek…. Sorry, auserkoren!“
Natürlich kann ich nur von meiner Branche sprechen, gehe aber davon aus, andere können da leicht in dasselbe Horn tuten.
In diesem Blogpost gibt es also mal keine schönen Reisebilder als Ausschmückung, sondern mehr Text. Denn genau darum geht es mir ja: Zu viel Text aus Brüssel.
Bis Du endlich im wohlverdienten Urlaub angekommen bist, bin ich so reif für die Insel, dass ich am liebsten gleich mit in den Flieger steigen würde. Und das liegt nicht an Dir.
Du willst einfach nur in den Urlaub. Du willst einfach nur buchen.
Ich auch.
Aber ich muss Dich über alles und jedes informieren, wo Du doch eigentlich schon mit der Entscheidung für 2 Wochen Timbuktu so glücklich bist, dass Dich der Rest gar nicht mehr interessiert.
Wobei, was heißt hier eigentlich Rest?
Es ist ja die Informationsflut VOR Deinem „Ja-ich-will-Häkchen“ bzw. Deiner Unterschrift, die Du eigentlich lesen sollst, aber gar nicht willst, weil Dir das zu viel Text ist.
Du kennst mich und vertraust mir, ich kenne Dich und vertraue Dir. Es ist doch eigentlich so einfach…. Gewesen.
Denn seit längerem schon muss ich Dich datenschutzgrundverordnen, Dir den Verbraucherschutzmantel anziehen und Dir ein Schuldeingeständnis geben, dass Dein Reiseveranstalter für Unwetter, Erdrutsche und Vulkanausbrüche verantwortlich ist, denn höhere Gewalt gibt es ja nicht mehr. Da ist der Vulkan fein raus…. Und als Reiseveranstalter bist Du gezwungen, die Reisepreise so weit zu erhöhen, dass Du für alle Unwägbarkeiten gewappnet bist.
Hast Du nicht gewusst, nicht wahr? Es sind eben nicht nur Energiekosten, die Preise in die Höhe treiben.
Na klar, Rechtssicherheit für beide Seiten ist wichtig. Das bestreitet niemand. Doch je mehr dem Reisegast erklärt werden muss, desto weniger will er das alles lesen.
Vorvertragliche Infos heißt das heute. Weisst Du, wie lang die sind?
Das hieß früher mal Reiseanmeldung und war mit einem Blatt abgetan.
Heute muss ich Dich über die EU Verordnung Par. 651a aufklären. Den kennst Du doch, oder etwa nicht?
Ach, der interessiert Dich nicht? Du willst einfach nur in die Sonne? Oder eine schöne Rundreise machen?
Nein, mein(e) Liebe(r), so geht das nicht![Übrigens wird das jetzt das einzige Mal sein, dass ich in diesem Text gendergerecht schreibe].
Ich erkläre Dir in diesem Blogpost mal in einfacher Reisegeschnatter-Art, auf welche Reise Du dich begibst, bevor Du eine Reise buchst.
Du akzeptierst natürlich meine AGB, die ich Dir ausgehändigt bzw. per Email übermittelt habe. Die liest Du Dir erstmal genau durch. Entweder auf dem Handy in meinem Büro, wenn Du des Lesens der Minischrift mächtig bist, oder aber Du gehst erst wieder nach Hause an den PC, um sozusagen die „Große-Buchstaben-Version für Blindfische“ vor Augen zu haben.
Überflüssig zu erwähnen, dass heutzutage natürlich der Preis für Deine Mallorcareise dann schon wieder gestiegen ist bis Du das alles durchgelesen hast.
Da freust Du dich, wenn Du mit mir eine meiner Busreisen vor hast, denn die hat immer denselben Wert, ob Du sie heute morgen buchst oder morgen Abend. Ein Phänomen, nicht wahr?
Unser Busplatz ist tatsächlich heute wie morgen immer noch derselbe und kostet auch immer noch dasselbe.
Wie blöd kann man sein, würde da so mancher Algoritmus gesteuerte Großveranstalter sagen!?
Aber ich schweife ab.
Ich muss Dir ja noch VORAB erklären, bzw. Du sollst es lesen, dass Du die Reise bezahlen musst. Erst eine Anzahlung, dann die Restsumme.
Und die EU Verbraucherschützer diskutieren schon wieder darüber, dass Du eventuell gar keine Anzahlung mehr leisten sollst. Nur ich als Veranstalter muss das dem Hotel gegenüber. Macht ja nichts. Ich kann ja warten.
Und werde deswegen den Preis am besten, genau wie jedes Hotel auf jeder Plattform es auch tut, für solche Fälle von „Ich muss nichts anzahlen“ den gesamten Reisepreis einfach vorab schonmal erhöhen.
Was soll das bitte?
Wir schließen einen Vertrag und sichern diesen über eine Anzahlung ab. BASTA!
Dann muss ich Dich natürlich mittels weiterer Infoblätter VORAB darüber aufklären, welche Reiseart Du buchen wirst.
Eine Flugreise, wirst Du jetzt vielleicht einwerfen, oder eine Busreise.
Aber das ist nicht gemeint.
Ich informiere Dich darüber, ob Du eine Pauschalreise, eine verbundene Reiseleistung oder Einzelleistungen buchst. Das ist Dein gutes Recht. Das sollst Du auch haben, nur ich muss erstmal diesen ganzen Krempel zusammensuchen bzw. zusammenklicken in einer PDF und deswegen noch eine weitere Arbeitskraft einstellen, weil das alles noch viel mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Ach, Du hast Schwierigkeiten, eine PDF auf Deinem Handy zu öffnen? Nun ja, damit muss ich Dich leider alleine lassen, denn ich kümmere mich jetzt schon einmal darum, wie es in Zukunft mit der neuen E-Rechnung aussehen wird. Ich weiß noch nicht, welches Format die haben wird, ich weiß nur, dass Deutschland ab dem 1.1.25 so digital werden möchte, dass wir E-Rechnungen empfangen können müssen.
Und ich weiß auch schon, dass mein EDV Provider natürlich für diese Bereitstellung und dieses Update die monatlichen Gebühren erhöhen wird.
Die Zeit des Papierdrucks scheint also ein Ende zu nehmen. Was ich prinzipiell nicht schlecht finde.
Aber Du musst halt auch digital werden. Da musst Du mitziehen. Sonst läuft das nicht zwischen uns.
Ach so, dann kannst Du ja gleich im Internet buchen? Gute Idee, denn da redet dann gar keiner mehr mit Dir und Du kannst dem blöden Chat-Bot etwas schreiben, der die Antwort dann sowieso nicht kennt.
Doch zurück zum Thema, ich merke, ich neige zu Gemeinheiten.
In meinen AGB und ganz EU-Par. 651a-konform erkläre ich Dir natürlich, dass Deine Daten bei mir sicher sind und ich sie nicht verkaufe.
Ich frage mich immer: An wen denn? Und wie geht das überhaupt?
Es ist noch niemand an mich herangetreten und hat mir Geld geboten für die Information, ob Du im Flugzeug gern einen Gang- oder Fensterplatz bevorzugst.
Außerdem fehlt mir die Zeit, Deine Daten irgendwo feilzubieten, denn ich muss Dich ja weiter aufklären - stundenlang.
Du musst z.B. aufgeklärt werden, dass im Falle einer Nur-Hotelbuchung bei einem Mangel einzig und allein das Hotel Schuld hat und nicht ich.
Das hättest Du jetzt nicht gedacht, oder? Das Klo auf Kreta ist kaputt und ich hier in Deutschland kann nichts dafür. „Wat‘n Ding“, würde der Ruhrpotter dazu sagen.
Wenn Du aber eine Pauschalreise, sagen wir mal über alltours gebucht hast, dann ist natürlich der Veranstalter Schuld am kaputten Klo auf Kreta. Er hat die Sorgfaltspflicht für Dich übernommen! Nun gut, immerhin besagen die AGB noch, dass Du eine Mitwirkungspflicht hast und dem Hotelier Bescheid geben musst.
Also bitte nicht 2 Wochen lang auf den kaputten Bottich setzen und dann zu Hause erklären, der war kaputt.
All das ist für mich eigentlich mit normalem Menschenverstand ohne vorherige Aufklärung absolut logisch, nicht so anscheinend für die EU.
Wobei ich mich tatsächlich gerade daran erinnere, dass in den ersten Monaten meiner Selbständigkeit mal ein Gast aus Spanien zurück kam und sich beschwerte, dass es dort spanisches Essen gab. Also ist das mit der Logik doch eine schwierige Sache.
Halt! Wenn Du meinst, dass Du jetzt endlich buchen kannst, dann ist das aber weit gefehlt.
Erst muss ich Dich darüber aufklären, dass Du Deine Reise nach Neuseeland nicht mit Deinem Personalausweis antreten kannst, dass Du mir bitte Deinen Namen so angibst wie er im Pass steht und das bitte auch sofort kontrollierst, denn eine Heidi in eine Heidelinde ändern kostet am Ende auch wieder Geld. Geld, was übrigens nicht ich kassiere, sondern die Airline oder der Veranstalter.
Die kassieren das, obwohl ich das für Dich und sie erledigt habe und dafür aber nichts bekomme.
Diese Arbeitszeit- und Verdienstlogik ist klar, nicht wahr?
Ich informiere Dich über Dinge, die ich selbst nicht verstehe, wie zum Beispiel, dass Flugzeiten unverbindlich sind. Warum eigentlich? Warum wird so viel Wirbel um zu erwerbende Abflugslots am Flughafen gemacht, wenn die am Ende Schall und Rauch sind?
Aber ich hab‘s Dir ja erklärt.
Und Du bist froh, dass Du nicht mit der Bahn fährst, weil da die Fahrpläne ohnehin schon ausser Kontrolle geraten sind.
Ich bin auch diejenige (und natürlich all meine Kollegen), die Dir erklärt, dass Du online einchecken sollst, damit Du am Schalter nicht pro Person und Strecke € 15,- zahlst, oder bei manchen Airlines sogar mehr.
Ach, mit online kommst Du nicht so gut zurecht? Wie gut also, dass Du im Reisebüro gebucht hast. Das ist die Stelle, wo man Dir alles erklärt und Dir hilft, wenn sich nicht kostenlos für derartige Sonderleistungen, aber deutlich preiswerter.
Jetzt hast Du Dich für Deine Reise entschieden und ich darf Dich einbuchen. Damit bist Du fertig.
Ich aber noch nicht.
EU Verordnungen regeln jetzt, welchen Teil ich von meiner Provision versteuern muss und welchen nicht. Da muss ich drauf achten, ob die Airline, mit der Du fliegst, dem Veranstalter gehört oder nicht, und demnächst wird vielleicht eine grüne Airline anders versteuert als eine blaue.
Das interessiert Dich natürlich nicht, mich auch nicht wirklich, aber für unser Finanzamt ist das sehr wichtig.
Und bei meinen eigenen Reisen darf ich Dir auch nicht einfach so einen Kaffee ausgeben. Das ist kein Teil der Reiseleistung. Und ich muss gegebenenfalls erklären, warum ich Dir einfach so beim Schloss Schönbrunn den Gruppenarbeit netto weitergebe und daran nichts verdiene.
Nachweispflicht ist alles! Ohne Nachweise ist alles nichts.
Dabei möchte ich Dir einfach nur was Gutes tun.
Aber eigentlich habe ich ja auch dafür gar keine Zeit, denn ich muss ja eine Quittung vom Bauern in Schottland organisieren dafür, dass wir mal eben für 5 Pfund pro Nase seine schönen Hochlandrinder anschauen möchten.
Diskussionen folgen. Er hat gar keinen Quittungsblock! Dabei möchte ich keinesfalls den Eindruck erwecken, Schotten wären hinterwäldlerisch. Es ist nur ein Beispiel von vielen. Ich erkläre dem Bauern, dass die Behörden eine bestimmte Art von Quittung oder Rechnung voraussetzt, um diese als geschäftlich anzuerkennen. Ich muss schon beweisen, dass ich allein mit nicht zwanzigmal die Farm angeschaut habe. Es müssen die Steuernummern auf die Rechnung.
YES, sagt er dann und damit hat‘s sich.
Und wenn ich dann alles EU konform erhalte, möchte ich diesen Farmer natürlich ausdrücklich darauf hinweisen, dass er meine Adresse, die dann auf der Rechnung steht, nicht weiterverkauft.
Datenschutz, Du verstehst.
Aber Dir erlaube ich es ausdrücklich, meine Adresse und Telefonnummer an jeden weiterzugeben, denn Werbung ist alles.
In diesem Sinne…..
Ich buche jetzt meinen Urlaub.
P.S: Die Bilder wurden kreiert mit Canca KI.
P.P.S: Ich liebe immer noch meinen Job.
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