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AutorenbildGabi Quiatek

Côte d’Azur - Reichtum zum ohnmächtig werden

Vor Jahren habe ich in Agay an der Esterel-Küste Urlaub gemacht. In einem Apartment in einem Ferienclub, wo man laut Anbieter 6 Personen unterbringen kann, wir aber zu zweit mit Hund gerade so eben Platz hatten. Ich möchte dabei betonen, dass das zu einer Zeit war, als mein Mann und ich noch schlank wie die Tannen waren, also lag die Platznot nicht an unseren Ausmaßen.

Das und etliche andere Frankreichaufenthalte ließen mich zu dem Schluss kommen, daß in Frankreich immer alles "petit petit" ist, also sehr klein. So auch dieses Mal bei meiner Gruppenreise nach Nizza. Wir haben ein charmantes kleines Hotel mit freundlichem Personal und schlafen in Betten, die nicht sehr viel Zimmer drumherum haben. So ist es halt. Zumindest, wenn man nicht ab € 2810,- für 5 Nächte ohne Frühstück im Renommier-Hotel Negresco an der Promenade des Anglais ausgeben will, denn das ist das Doppelte des gesamten Reisepreises, den wir für eine 9-tägige Tour bieten.

Im berühmten Hotel Negresco schlummern Kunstwerke im Wert von € 300 Mio.

Ich bin also im bezahlbaren Bereich unterwegs und denke in Anbetracht dessen gerade so gar nicht an das Umfeld, das ich in den nächsten Tagen mit meiner Gruppe besichtigen werde.

Es fängt ganz harmlos an mit einem Besuch der Parfümhauptstadt Grasse, wo wir uns selbstverständlich in die Welt der Duftherstellung einweisen lassen. Anschließend wird noch die Altstadt erkundet und dort bei 24 Grad draußen gespeist. Alles noch sehr bezahlbar, und ich erfahre, dass auch unsere Hotelbesitzerin in Grasse wohnt, wahrscheinlich aus eben denselben Gründen.

Es liegt auch sehr schön im Hinterland in den Bergen, wo man eine schöne Aussicht bis zur Küste genießen kann.

Schillerndes in der Parfumerie Fragonard

Es folgt ein Ausflug entlang der Esterel-Küste. Die hatte ich in so guter Erinnerung von meinem eingangs erwähnten Mini-Apartmenturlaub. Die roten Felsen, die im Sonnenlicht glänzen, sind einmalig schön, so auch heute, bei wieder einmal lässigen 24 Grad. Oder wahrscheinlich sogar mehr.

Unsere Reiseleiterin Monique erwähnt so ganz beiläufig, wer sich hier an der Küste mit welchem bescheidenen Anwesen niedergelassen hat.

Estérel, das rote Gebirge

Da ist zunächst der in 2020 verstorbene Designer Pierre Cardin, der sich den "Palais Bulles", eine Art Palast in Blasenform an die Küste hat zimmern lassen. Für geschätzte 400 Mio. wollte er ihn dann in 2016 verkaufen. Ich habe nicht die leisteste Ahnung, wer der glückliche Besitzer nun ist, der gern in seiner eigenen Blase lebt und wie viel er dafür bezahlt hat.

Das Anwesen sieht für mich so hässlich aus inmitten all der schönen Anwesen an der Küste, ich möchte es nicht geschenkt haben.

Bei Agay liegt ein Anwesen an einem Leuchtturm, das im Besitz der Familie von Antoine de Saint Exupéry ist. Antoine war eigentlich Pilot und schriftstellerte nebenbei. Aus diesem "nebenbei" entstand das Buch "Der kleine Prinz", eine sehr erfolgreiches Märchen, in dem Saint Exupéry unter anderem den in seinen Augen stattfindenden Werteverfall der Gesellschaft thematisiert.

Die Komiker Laurel&Hardy hatten ein Haus in Le Trayas an der Küstenstraße des Esterels, dem berühmten Meister aller Wutanfälle, Louis de Funès, gedenkt man in einem Museum in St Raphael.


Aber jetzt wird es wirklich granatenhaft, und zwar so, dass einem schwindelig wird vor lauter Reichtum. In Antibes machen wir eine längere Pause und parken unseren Bus, der immerhin auch eine Viertelmillion Euro kostet, an der Straße des Yachthafens. Hier liegen zunächst die "kleinen" Yachten. Oh mein Gott, diese armen Menschen, die sich nicht mehr leisten können! Es sind nur die Millionäre. Die Billionäre haben ihre schwimmenden Paläste ein Stückchen weiter. Aber natürlich! Wer gibt sich als Billionär schon gern mit Millionären ab?

Ein Liegeplatz, so klärt uns Monique auf, kostet hier zwischen € 6000,- und € 10.000,- pro Tag! Es ist nicht zu fassen! Und da beschwere ich mich über € 200,- für 3 Stunden Busparkplatz! Ich muss mich wirklich glücklich schätzen, ein solches Schnäppchen ergattert zu haben.

Wir wandern entlang der Luxusyachten und können den Reichtum kaum ertragen. Ein Paar unserer Gruppe entfernt sich, denn sie suchen eine Toilette.... mit der sinnigen Erkärung, ihr Butler James wäre mit der Yacht unterwegs, sonst hätten sie natürlich eine Möglichkeit im eigenen "Heim". Man kann es nur mit Humor nehmen.

Sprüche wie "Ich kann euch auf meine Yacht leider nicht einladen, der Aschenbecher ist voll", machen die Runde.

Kommen wir uns arm vor? Mitnichten. Wir sind glücklich. Glücklich, wunderbares Wetter zu haben, schöne Dinge zu sehen und einfach das Leben zu genießen.

Das tun wir in Antibes rund um den Marktplatz, innerhalb der Stadtmauern, bei schönen provenzalischen Gerichten.

Dann geht es ins Picasso Musem. Der Künstler hatte im Grimaldi-Palast sein Atelier. Natürlich, die Grimaldis! Auch sie hatten überall ihre Finger.... ähm, Paläste im Spiel.

Der Meister der von mir leider nicht verstandenen Kunst hat sich hier ausgelebt und experimentiert. Seine bedrohlich großen Augen habe ich jetzt immer noch im Kopf und frage mich, auf welcher Millionärs-Yacht jetzt eines seiner Strichmännchen-mit-großen-Brüsten-Gemälde hängt.

Die Aussicht von der Terrasse des Museums auf das Mittelmeer und das Cap d´Antibes ist atemberaubend schön, und in einer kleinen Boutique kaufe ich für schlappe € 29,- ein Füchschen aus Stoff mit Flickenhose für meinen Enkel. Auch das ist ein Stück Glück ohne Yacht und Chi-chi.

Auf dem Rückweg nach Nizza gibt es von Monique noch einige Erklärungen und Erzählungen von Promis, die sich hier aufgehalten haben. Es gibt eine russische Kirche, imposant mit grünen Zwiebeltürmen und das ganze auf einem Grundstück, das ehemals der Zarenfamilie Romanow gehörte. Somit hat Präsident Putin vor einigen Jahren verkündet, dies sei russisches Gebiet und die Leute könnten hier allenfalls die Kirche nutzen, um dem Gottesdienst zu lauschen, aber keinesfalls sind sonstige Besucher erlaubt.

Schon wieder ein persönliches Glück, dass ich auf beides keinen Wert lege.

Nur einige Ecken weiter thront am Hang ein Palast, den Königin Victoria von England bewohnt hat. Na klar, wo war sie eigentlich nicht? Es verwundert mich keineswegs, dass sie sich an der Cote d´Azur aufgehalten hat. Als Witwe soll es gewesen sein. Einsame Zeit ohne ihren geliebten Prinzgemahl Albert. Nun denn, gelangweilt haben wird sie sich nicht.

Beim Anblick der prachtvollen Häuser auf dem Rückweg zu unserem Hotel, die ich schon einige Tage gesehen, aber nicht wirklich als von royalem Einfluss erkannt habe, wird mir klar, mit welchen Kalibern die Cote d´Azur aufwartet.

Wir biegen in "unsere" Straße ein beim berühmten Hotel Negresco, in dem sich Kunstwerke von über 300 Millionen Euro befinden, und steigen aus bei unserem 3-Sterne-Hotel mit kleinen Zimmern...... aber völlig normalen Menschen.

Gut, dass es uns als normale Touristen gibt.


Am Folgetag geht es nach Monaco. Ich bin jetzt vorbereitet, und mich schockt es nicht mehr, dass an der Küste Richtung Osten auf das Anwesen von Michael Schumacher hingewiesen wird, oder das von Elton John, der jeden Tag für € 300,- Blumen einkaufen lässt, weiße bitte schön, denn soviel Exzentrik muss schon sein. Unsere Reiseleiterin berichtet, dass er nicht mehr so viel trinkt - zum Leidwesen der örtlichen Bars. Nun denn, es wird andere Promis geben, die hier sicher gern einspringen.

Buchten von Nizza Richtung Osten, mit Beaulieu oder cap d´Ail, sind wunderschön, die Ausblicke traumhaft. Monique schmeißt nur mit Millionenbeträgen so um sich, während sie erzählt, welche Villa gerade für wie viel zum Verkauf steht.

Dann kommt Monaco, und ein Hochhausmeer schlägt uns entgegen. Nun ja, es ist nicht viel Platz im Fürstentum, da muss man nach oben bauen.

Apropos bauen. Es gibt viele Baustellen, etliche Baukräne, denn hier wird tatsächlich alles abgerissen und sofort neu gebaut, wenn es irgendwo mal mit der Bausubstanz hakt. Altes hat hier keinen Platz. Es lebe die Nachhaltigkeit!

Ganz unten am Meer, noch auf französischer Seite, ankert die Yacht des Fürsten von Monaco. Sollte es am Ende so sein, dass in Frankreich die Liegegebühren preiswerter sind? Aber jetzt fange ich an, gemein zu werden.

Auch hier wieder begleiten uns Sonderangebote um die 500 Mio. Euro für Apartments mit Meerblick, oder aber Rennstreckenblick, was mindestens genauso wertvoll ist.

Wir lernen, dass man mindestens 6000,- ausgeben muss, um als Zuschauer ein Apartmentfenster mit Blick auf die Rennstrecke ausgeben muss, und mir ist leider gar nicht klar, ob ich dafür wirklich nur das Fenster mit Ausblick nutzen darf oder auch das Bett für die Nacht mitbezahlt habe.

Ein schönes Lunch-Angebot ist bei einem Koch mit 3 Michelin-Sternen zu haben. Für € 4000,- bekomme ich einen warhscheinlich sehr übersichtlichen Teller. Aber dazu auch ein Formel-1-Ticket. Na dann geht´s ja!


Mein Fazit des Tages ist: Liebe Millionäre, Eure Armut trifft mich tief ins Herz. Ich habe Mitleid und gebe daher gern für die Einfahrt mit unserem Bus in Monaco € 240,- aus und freue mich sogar noch, weil dies der ermässigte Wintertarif ist.

Mit meinem Caprese-Teller für € 25,- unterstütze ich gern das Fürstentum und freue mich über den niedrigen Mehrwertsteuersatz. Um ehrlich zu sein dachte ich, es gäbe gar keine, aber vielleicht gilt das einfach nicht für den normalen Menschen.

Eine Kugel Eis ist auch noch drin, für € 3,-. Da habe ich in Großbritannien schon mehr bezahlt, also was beschwere ich mich eigentlich?

Es war wieder ein schöner, ereignisreicher Tag, wir kehren zurück nach Nizza und bringen unseren Bus zum Parkplatz am Flughafen, den wir für € 500,- gekauft, Verzeihung, angemietet haben. Ich setze das gleich einmal in Relation zu den Liegegebühren der Yachten und bin überwältigt, was für ein Schnäppchen ich wieder ergattert habe.

Und dazu noch völlig kostenfrei 5 Tage azublauen Himmel mit 24 Grad.

Was will man mehr?







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